Logo des Projekts Fluchtgrund Queer: Queer Refugees Deutschland

LSBTI-feindliche Gewalt in Geflüchtetenunterkünften: Studie zu Schutzkonzepten der deutschen Bundesländer deckt massive Mängel auf

Der kürzlich in der Zeitschrift „Freiburger Zeitschrift für Geschlechterstudien“ erschienene Artikel „Sofern besonderer Bedarf identifiziert wurde“ zeigt massive Mängel mit Bezug auf den Schutz LSBTI-Geflüchteter in den Gewaltschutzkonzepten der deutschen Bundesländer auf. Die Autor*innen Alva Träbert und Patrick Dörr verglichen die im März 2019 vorliegenden Landesgewaltschutzkonzepte mit den Maßnahmen, die auf Bundesebene als Mindeststandards zum Schutz LSBTI-Geflüchteter identifiziert wurden. Zunächst einmal fällt auf, dass von den 16 Bundesländern, die ja in Deutschland für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig sind, nur neun überhaupt über ein solches Konzept für ihre Landesunterkünfte verfügten. In diesen neun Konzepten findet sich durchschnittlich nicht einmal ein Drittel der in den Mindeststandards beschriebenen Maßnahmen zum Schutz LSBTI-Geflüchteter wieder.

Besonders schlecht schneidet in der wissenschaftlichen Analyse mit nur 5 % der Maßnahmen der Mindeststandards das Schutzkonzept des Bundeslandes Sachsen ab, während im Konzept des Bundeslandes Bremen immerhin über die Hälfte der Maßnahmen verankert sind. Ein besserer Schutz wäre aber dringend erforderlich: In Unterkünften werden LSBTI-Geflüchtete besonders häufig Opfer von Gewalt und gelten entsprechend der EU-Richtlinie 2013/33/EU daher mit gutem Grund in Deutschland als besonders schutzbedürftige Gruppe. Die fehlende Verankerung von Schutzmaßnahmen bedeutet somit – so Träbert und Dörr – auch, dass Deutschland weiterhin seinen europäischen Verpflichtungen in diesem Bereich nicht nachkommt. Der Mangel an Schutz hat dabei massive Auswirkungen auf die betroffenen Personen. Im Angstraum Geflüchtetenunterkunft finden sie nur in den seltensten Fällen den Mut, über ihre Bedarfe zu sprechen. Zu groß ist in der Regel die Furcht vor einem Outing, zu schlimm oft auch die Vorerfahrungen mit Staat und Gesellschaft im Herkunftsland.

Die beiden Autor*innen führen aus, dass das Ausbleiben der notwendigen, vertrauensbildenden Maßnahmen nicht nur einen effektiven Gewaltschutz in der Unterkunft verhindert. Es trägt auch dazu bei, dass viele Geflüchtete es nicht schaffen, die in der Heimat erlebte Verfolgung im Asylverfahren überhaupt anzusprechen. „Es ist daher dringend nötig, dass die Bundesländer den Schutz queerer Geflüchteter endlich besser in ihren Schutzkonzepten verankern“, so Patrick Dörr, der seit Oktober 2020 auch Mitglied im LSVD-Bundesvorstand ist.