Projekt Queer Refugees Deutschland

Bundesinnenministerium schafft für LSBTI-Geflüchtete Verhaltensprognosen im Asylverfahren ab

17. Oktober 2022

Bereits 2013 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, dass Asylbehörden und Gerichte bei homosexuellen Geflüchteten vernünftigerweise nicht erwarten können, „dass diese ihre sexuelle Orientierung geheim halten oder Zurückhaltung beim Ausleben üben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden“. 2020 hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss dieses richtungsweisende EuGH-Urteil aufgegriffen und bestätigt, dass diese Maßgabe auch für bisexuelle Asylsuchende gelten muss. Asylgesuche queerer Geflüchteter waren jedoch weiterhin abgelehnt worden unter anderem anhand von Prognosen, dass diese bei Rückkehr ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität ohnehin aus eigenem, freiem Willen geheimhalten würden.

Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser (Quelle: Peter Jülich)

„Wir freuen uns sehr, dass die Bundesregierung Wort gehalten hat und dass das Diskretionsgebot im BAMF nun wirklich abgeschafft ist. Wir bedanken uns ausdrücklich bei der zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser für die konsequente Umsetzung, aber auch bei den Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP für ihre Unterstützung“ so Patrick Dörr für den LSVD-Bundesvorstand. „Wir hoffen, dass queere Geflüchtete aus Verfolgerstaaten nun endlich konsequent in Deutschland Schutz erhalten. Bei der vorgenommenen Änderung handelt es sich jedoch nicht um eine geänderte Rechtslage, da lediglich die Dienstanweisung angepasst wurde. Queeren Geflüchteten, deren Asylgesuche aufgrund von Diskretionsprognosen bereits endgültig abgelehnt wurden und die daher nur geduldet sind, raten wir aber trotzdem, die Möglichkeit eines Asylfolgeantrags zu prüfen. Durch die neuen Vorgaben hat sich nämlich die Chance erhöht, gegebenfalls zumindest Abschiebehindernisse zugesprochen zu bekommen“, so Dörr weiter.

Wichtige Hinweise für aus der Ukraine geflüchtete Personen, die keine Ukrainer*innen sind:

20. März 2022

Ein solches vereinfachtes Verfahren nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes hat für die Schutzsuchenden nur Vorteile: So erhalten sie ähnliche Leistungen (finanzielle Unterstützung und Zugang zu medizinischer Versorgung) wie im klassischen Asylverfahren. Anders als im klassischen Asylverfahren haben sie jedoch von Anfang an:

  • das grundsätzliche Recht zu arbeiten
  • die grundsätzliche Möglichkeit, an Integrationskursen teilzunehmen (Sprach- und Orientierungskurs)
  • die grundsätzliche Möglichkeit, eine private Unterbringung zu suchen (im Asylverfahren besteht zunächst eine Pflicht, in einer Flüchtlingssammelunterkunft zu wohnen)
  • gegebenenfalls auch die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ in einen anderen Aufenthaltstitel (z. B. zur Aufnahme von Arbeit oder Studium) – wobei hier weitere Voraussetzungen gelten

Das vereinfachte Verfahren ist einem klassisches Asylverfahren ähnlich, da auch hier geprüft wird, ob die betreffende Person bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland tatsächlich gefährdet wäre. Die Prüfung erfolgt allerdings nicht durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), sondern durch die zuständige Ausländerbehörde.

Wichtig ist: Auch wenn der Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach § 24 des Aufenthaltstitels nicht erfolgreich ist, gibt es danach immer noch die Möglichkeit, einen klassischen Asylantrag zu stellen.

In jedem Fall ist es ratsam, dass aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtete Personen, die keine ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen, sich von spezialisierten Beratungsstellen beraten lassen und gegebenenfalls anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen.

Der LSVD bittet Geflüchtete, Beratungsstellen und Unterstützer*innen, sich bezüglich Fällen von aus der Ukraine geflüchteten LSBTI-Drittstaatler*innen über das Kontaktformular zu melden. In diesen Fällen kann der LSVD die Ausländerbehörden durch das Zusenden umfassender LSBTI-spezifischer Länderinformationen bei der Beurteilung der Gefährdungslage in den jeweiligen Herkunftsländern unterstützen.

[Diese Hinweise geben das Verständnis des LSVD bezüglich der aktuellen Gesetzeslage und des Schreibens des BMI vom 14. März 2022 wieder.]

Deutschland beschließt vereinfachtes Aufnahmeverfahren für Geflüchtete aus der Ukraine

15. März 2022

Mehr Informationen zur rechtlichen Situation, auch auf Ukrainisch, finden Sie hier:

www.proasyl.de

www.minor-kontor.de

Personen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, können bei Privatpersonen (Freunden, Familie oder freiwillige Unterstützer*innen) wohnen und erhalten nach der Registrierung finanzielle Unterstützung vom Staat und Zugang zum Gesundheitssystem.

Wenn Sie lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich sind und eine Unterkunft bei einer Privatperson suchen, unterstützen folgende Stellen Sie bei der Suche:

In ganz Deutschland:

www.queere-nothilfe-ukraine.de

www.munichkyivqueer.org/kontakt/

München :

www.oberbayern.paritaet-bayern.de/ueber-uns/wohnraum-fuer-lgbti-gefluechtete

Berlin:

www.schwulenberatungberlin.de/post/unterstuetzung-fuer-ukrainischen-lsbti-und-menschen-mit-hiv

Hamburg:

www.queer-refugees-support.de

www.queer-refugees.hamburg/index.php/gruppen

Köln:

www.rainbow-refugees.cologne/fuer-gefluechtete

Weitere relevante Angebote und Informationen finden Sie hier:

www.munichkyivqueer.org

www.quarteera.de

 

„Queer Refugees Deutschland“ veröffentlicht Begleitheft für Integrationskurse

23. Dezember 2021

Das Begleitheft ist für den Unterricht in Orientierungskursen entwickelt worden. Es greift wichtige Inhalte zu den Themen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität auf. Auf 20 Seiten geht es auf die rechtliche Situation, geschichtliche Hintergründe, soziale Bewegung und individuelle Lebensentwürfe ein. Dabei vermittelt das Heft Wissen zu den Begriffen rund um LSBTI und versucht, durch die Begegnung mit verschiedenen Menschen und ihren Biografien für die Themen zu sensibilisieren und Akzeptanz zu fördern. Das Begleitheft ist so konzipiert, dass es als eigene Unterrichtseinheit dient und in mehreren Unterrichtsstunden hintereinander bearbeitet werden kann. Darüber hinaus sind Themeneinheiten des Heftes auch ergänzend in einzelnen Stunden verwendbar. Inhaltlich passt es zu allen drei Modulen des Orientierungskurses, also zu „Politik in der Demokratie“, zu „Geschichte und Verantwortung“ und zu „Mensch und Gesellschaft“.

Das Begleitheft „ Vielfalt Wilkommen!“ kann als Print-Exemplar einfach und kostenfrei per E-Mail bestellt werden und steht auch zum Download zur Verfügung.